Das Projekt AskREACH trägt zur Sensibilisierung von „Besonders besorgniserregenden Stoffen“ beim Kauf von Produkten bei – wie das gelingen kann und welche Stoffe in Sportartikeln gefunden wurden, erfährst du hier!
Sportartikel – der schnelle, unüberlegte Kauf zum sportlichen Erfolg?
Beim Kaufen von Sportartikeln achten wir selten darauf, wie und wo sie produziert wurden und aus welchen Materialien sie bestehen. Günstig und schnell zu kriegen sollen sie sein. Dass es sich im Auswahlprozess der Sportartikel lohnt, genauer hinzusehen, zeigt jetzt eine neue Studie des Projekts AskREACH. Schließlich sollen die Sportartikel ja etwas Gutes zur Gesundheit beitragen und auch oft und für längere Zeit genützt werden - auch, wenn der Schweinehund manchmal nicht mitspielt.
Das Projekt AskREACH
Das Projekt „AskREACH“ setzt hier beim Kaufverhalten an und sensibilisiert europaweit die Bevölkerung, Handel und Industrie für sogenannte ‚besonders besorgniserregende Stoffe‘ – auch bekannt als „Substances of Very High Concern“ (SVHCs) in Erzeugnissen.
Das Projekt zielt ab auf:
die Sensibilisierung der Bevölkerung zu SVHC in Erzeugnissen, damit bewusste Kaufentscheidungen getroffen werden können
die Sensibilisierung von Erzeugnis-Lieferanten, damit sie ihre REACH Informationspflichten angemessen erfüllen
die Verbesserung des Informationsflusses zu besonders besorgniserregenden Stoffen zwischen Verbraucher*innen und Lieferant*innen
die Verbesserung der Kommunikationsprozesse in der Lieferkette mit dem Ziel, SVHCs in Erzeugnissen zu ersetzen.
Informationen über Scan4Chem
In dem Projekt wurde die Smartphone-App Scan4Chem entwickelt, mit der sich Verbraucher*innen über solche Stoffe informieren oder Erzeugnis-Lieferanten dazu anfragen können. Die europäische Chemikalienverordnung REACH bildet hierfür den gesetzlichen Rahmen“ – und legt Informationspflichten für SVHCs fest.
Das heißt also, dass mit der Smartphone App Verbraucher*innen die „Barcodes von Erzeugnissen scannen können. Anschließend erhalten Sie erhalten entweder über die AskREACH Datenbank Informationen zu den SVHCs in diesen Erzeugnissen oder sie können – falls noch keine Informationen in der Datenbank sind - entsprechende Anfragen an die Erzeugnis-Lieferanten verschicken. Letztere können ihnen die Informationen per E-Mail zukommen lassen oder sie in die AskREACH Datenbank eintragen, so dass spätere Anfragen direkt aus der Datenbank beantwortet werden können. Die Datenbank wird über eine Eingabemaske gefüllt. Es gibt bereits einige Unternehmen, die ihre Daten in der Datenbank zur Verfügung stellen.“
Sportartikel besonders besorgniserregend
In den AskREACH-Neujahrstests wurden u.a. 82 Proben von Sport- und Freizeitartikeln in einem unabhängigen akkreditierten Labor auf die SVHCs analysiert. Die Muster wurden mit Schwerpunkt auf Weichplastikartikeln gekauft, unabhängig von Marken oder Einzelhändlern. Zu den getesteten Artikeln gehörten Gymnastikbälle, Yogamatten, Hanteln, Springseile, Schwimmgeräte, Wasserflaschen oder Turnschuhe, die in 13 europäischen Ländern gekauft wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass viele Sport- und Freizeitartikel verschiedene Weichmacher enthalten, die für die Fortpflanzung schädlich sind, sowie andere bedenkliche Substanzen, die für die Umwelt und die menschliche Gesundheit schädlich sind:
„SVHCs wurden in 20 Proben (24%) nachgewiesen. Neun Proben (11%) enthielten SVHCs über 0,1%, was bedeutet, dass Unternehmen Verbraucher auf Anfrage über ihr Vorhandensein gemäß der EU-REACH-Chemikalienverordnung informieren müssen.
Darüber hinaus enthielten 7 Artikel die Weichmacher DEHP oder DIBP, die in der EU aufgrund ihrer reprotoxischen und endokrin wirkenden Eigenschaften eingeschränkt sind. Artikel, die diese Substanzen in Konzentrationen über 0,1% enthalten, sind seit Juli 2020 nicht mehr auf dem Markt zugelassen. DIBP wurde jedoch in Konzentrationen von bis zu 41% in einem Pilates-Ball und 35% in einem Gymnastikball gefunden.“
„Für alle gekauften Artikel wurde gemäß REACH eine SVHC-Anfrage an den Händler gesendet. Die meisten Einzelhändler antworteten nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 45 Tagen und mussten daran erinnert werden. Schließlich gab fast die Hälfte von ihnen (44%) in ihren Artikeln Informationen über SVHCs an. Verkäufer von Artikeln, bei denen unsere Tests SVHC-Konzentrationen über 0,1% ergaben, gaben an, dass diese Artikel keine derartigen Substanzen enthielten. Dies zeigt die Schwierigkeit, Informationen über die verkauften Artikel zu erhalten, selbst für Einzelhändler.
Die Testergebnisse zeigen, wie schwierig es ist, die EU-REACH-Strategie umzusetzen, die eine freiwillige Substitution von SVHCs in Verbraucherartikeln fordert.“
Besorgniserregendes Springseil
„Ein anderer Artikel enthielt kurzkettige chlorierte Paraffine (SCCP), die in der Umwelt sehr persistent sind. Sie sind im Stockholmer Übereinkommen geregelt und weltweit in Artikeln mit Konzentrationen über 0,15% verboten. Ein Springseil enthielt jedoch SCCPs in einer Konzentration von 2,6%.
Substanzen wie reprotoxische Weichmacher, persistente Paraffine oder krebserregende Flammschutzmittel sind weiterhin in Artikeln enthalten. Die Kommunikation mit Unternehmen über die Zusammensetzung ihrer Artikel ist kompliziert und Einzelhändler wissen oft nicht, was ihre Artikel enthalten.
Um die Substitution von SVHCs in alltäglichen Artikeln zu erreichen, müssen sowohl von Unternehmen als auch von Durchsetzungsbehörden Schritte zur Umsetzung von REACH unternommen werden. Zunächst muss das Wissen über die SVHC-Inhalte in Artikeln entlang der Lieferkette erworben werden.“
„Wir fordern die Verbraucher*innen dringend auf, ihr Recht zu nutzen, die Scan4Chem-App bei jedem Kauf zu kennen und zu verwenden und Informationen zu allen Artikeln anzufordern, die sie interessieren.“ AskREACH 2021
Es ist also nicht egal, aus welchem Material Sportartikel sind – nicht nur für die Umwelt, sondern auch die eigene Gesundheit lohnt sich ein kritischer Blick. Und eine genaue Nachfrage direkt bei den Unternehmen kann dabei helfen, das Reaktionsverhalten von Unternehmen zu verbessern, indem man klar und deutlich kommuniziert: ich möchte keine SVHCs in Sportartikeln!
Julia von move4sustainability
Über die Autorin:
Julia Wlasak ist Vollblut-Sportlerin. Sie blickt auf umfassende Erfahrung im Schul- und Hochschulbereich zurück und wundert sich, warum Sport so wenig Aufmerksamkeit im Nachhaltigkeits- und BNE-Kontext bekommt. Deswegen gründete sie im Dezember 2019 move4sustainability.
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